Schloss Hartheim und das Jüdische Wien vom 22.- 24. Oktober 2018

Die erste Exkursion unseres grenzübergreifenden Erasmus+-Projektes führte uns in die ehemalige Euthanasie-Anstalt Hartheim bei Alkoven. Hier hatten die SchülerInnen der drei Partnerschulen aus Krumau, Untergriesbach und Rohrbach die Möglichkeit, sich mit einer besonders abscheulichen Facette des nationalsozialistischen Terrorregimes vertraut zu machen, nämlich der Tötung psychisch und physisch beeinträchtigter Menschen (siehe dazu den Artikel von Frau Mag. Ludmilla Leitner).

Nach dieser ersten Auseinandersetzung mit unserer gemeinsamen Geschichte ging die Reise mit unseren Gästen weiter nach Wien, genauer gesagt ins Jüdische Wien. Jüdisches Leben in Wien ist seit dem 12. Jh. belegt und im Zuge unserer Exkursion machten wir uns mit sämtlichen Bereichen und wichtigen Ereignissen der Geschichte unserer jüdischen MitbürgerInnen vertraut.

Federführend bei der Vorbereitung unterstützte uns Frau Mag. Ingrid Oberndorfer, eine ausgewiesene Kennerin der jüdischen Geschichte Wiens. Durch sie gelang es auch, Kontakte zu wichtigen Persönlichkeiten herzustellen.

Der späte Nachmittag und frühe Abend waren für unsere SchülerInnen aber vorerst dem Kennenlernen der Wiener Innenstadt und der Reflexion des Erlebten in Hartheim gewidmet.

Schülerinnen und Schüler beim abendlichen Reflektieren

Der nächste Tag hielt dann zwei besondere Höhepunkte für uns bereit: Den Besuch der IKG (=Israelitische Kultus-Gemeinde) mit Synagoge und das Treffen mit Helga Pollak-Kinsky.

Oberrabbiner Arie Folger war am Vormittag ein aufmerksamer und geistreicher Gastgeber, der uns mit seinem gewinnenden jüdischen Humor ganz tiefe und persönliche Einblicke in das jüdische Leben Wiens und den Unwägbarkeiten des Alltags eröffnete. Die Führung durch die IKG und der anschließende Besuch des Stadttempels waren hochinteressant.

Besuch bei Oberrabbinner Arie Folger im Stadttempel Wien

Am Nachmittag hatten wir dann das große Vergnügen, die Holocaust-Überlebende, Frau Helga Pollak-Kinsky, in Begleitung von Frau Tanja Eckstein, in der IKG treffen zu dürfen.

Ihre Erzählungen über ihr Leben vor, während und nach Theresienstadt und Auschwitz berührten unsere SchülerInnen zutiefst. Und als sie auf die Frage einer Schülerin, ob sie sich gefreut hätte, nach dem Krieg nach Wien zurückkehren zu können, sinngemäß antwortete, „Freuen, worüber? Ich war alleine, alle meine Freunde und Verwandten waren nicht mehr da!“, war die tiefe Betroffenheit, die viele Zuhörer überkam, greifbar.

Helga Pollak-Kinsky mit Schülerinnen aus Rohrbach im Saal der jüdischen Kultusgemeinde in Wien

Sehr eindrucksvoll waren auch unsere anderen Aktivitäten unter Leitung von Frau Mag. Oberndorfer. So begannen wir unsere Zeitreise durch das Jüdische Wien in der Judengasse, wo der der erste namentlich bekannte Jude Wiens, der Münzmeister Shlomo, gelebt hatte. Außerdem erläuterte Frau Oberndorfer für uns vor Ort die Funktion der Shabbatketten rund um das Ensemble von Gebäuden, das heute das jüdische Zentrum Wiens bildet.

Anschließend spazierten wir zum Judenplatz, dem Zentrum des mittelalterlichen Judenviertels und somit des jüdischen Lebens in Wien. Der Platz beherbergt das Denkmal für die österreichisch-jüdischen Opfer der Shoa von Rachel Whiteread.

Holocaustmahnmal am Judenplatz in Wien

Weiters zu sehen waren eine Tafel der Erzdiözese Wien mit einem Schuldeingeständnis für Verbrechen an Juden, antisemitische Inschriften am „Jordanhaus“ aus der Zeit der Wiener Gesera 1420/21 (Gefangennahme und teilweise Zwangstaufe der Juden auf Befehl Herzog Albrechts) und das Denkmal für Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781, Autor des Lustspiels „Die Juden“).

Sehr interessant war auch der Besuch des Jüdischen Museums, welches sich ziemlich exakt am ehemaligen Standort der mittelalterlichen Synagoge Wiens befindet. Aufgeteilt auf mehrere Gruppen erhielten unsere SchülerInnen hier fundierte Informationen zum jüdischen Leben in Wien.

Ein kurzer Besuch beim Stephansdom durfte natürlich auch nicht fehlen, um das Relief „Jude mit Hut“ näher zu betrachten, welches auf dem Fries über dem Riesentor zu sehen ist.

Ein Spaziergang durch den 2. Wiener Bezirk (Leopoldstadt) hin zur Seegasse im 9. Bezirk rundete dann das Bild des jüdischen Lebens in Wien entsprechend ab. Hier befand sich das spätere Zentrum jüdischen Lebens in Wien, nachdem diese aus dem 1. Bezirk vertrieben worden waren (1669 von Kaiser Leopold I. angeordnet).

Vorbei an vielen Stolpersteinen für die jüdischen Opfer des Holocaust und Gruppen streng orthodoxer Juden erreichten wir den ältesten jüdischen Friedhof Wiens, nicht ohne davor auf viele jüdische Einrichtungen hingewiesen worden zu sein, wie etwa jüdische Restaurants mit koscherer Speisekarte, jüdische Schulen und jüdische Sozialeinrichtungen.

Der jüdische Friedhof in der Seegasse wurde im 16. Jh. angelegt und überstand durch seine günstige Lage (in einem Innenhof) auch die Nazizeit. Heute erreicht man ihn durch den Haupteingang einer Seniorenresidenz, was nicht einer gewissen Ironie entbehrt.

Auch der zweite Abend diente dann dazu, einerseits wieder ins Wiener Leben einzutauchen, andererseits in gemischten Gruppen diesen sehr intensiven und ereignisreichen Tag zu reflektieren und nachzubesprechen.

Am dritten Tag traten wir dann gleich nach dem Frühstück Rückreise nach Rohrbach an, wo wir bei einem gemeinsamen Mittagessen in der Berufsschule einen sehr gelungenen dreitägigen Ausflug ausklingen ließen.

Mag. Markus Spießberger-Eichhorn