Besuch der Gedenkstätte Schloss Hartheim

Schloss Hartheim in Oberösterreich war eine von sechs Euthanasieanstalten des Dritten Reiches. Im Rahmen der nationalsozialistischen „Sozial- und Gesundheitspolitik“ sollte hier die Rassepolitik des Regimes durch die Ermordung „geistig und körperlich Minderwertiger“ umgesetzt und dadurch ein wesentlicher Beitrag zu einer „idealen und gesunden Volksgemeinschaft“ geleistet werden.

Euthanasieanstalt Schloss Hartheim

Foto: Hartmut Reese

Der auf den 1. September 1939 datierte „Gnadentoderlass“ Adolf Hitlers gab den Anstoß zur Organisation der Ermordung der so genannten „geistig und körperlich Minder-wertigen“ im Deutschen Reich. Vergast wurden nicht nur Be-hinderte und Kranke, sondern auch Alkoholiker, Waisen, Alte, politische Häftlinge, schwer erziehbare Jugendliche, Hilfsschüler, Zwangsarbeiter – Menschen, die nicht den Leit-bildern der Herrenrassenideologie entsprachen. „Lebensunwertes Leben“ sollte ausgemerzt werden, es hatte keinen Platz in der gesunden deutschen Volksgemeinschaft. Nach der Adresse der Organisations-zentrale in der Tiergarten-straße 4 in Berlin wurde die Euthanasie-Aktion „Aktion T4“ genannt.

Unter dem Vorwand einer statistischen Erhebung wurden an sämtliche Heil- und Pflegeanstalten, psychiatrische Kliniken, Alten- und Siechenheime Meldebögen zur Erfassung der Patienten versandt. Eigene T4-Gutachter nahmen auf Grund der ausgefüllten Meldebögen die Selektion jener vor, die der „Aktion zuge-führt“ werden sollten.

Sechs Tötungsanstalten wurden zu diesem Zweck eingerichtet: Brandenburg an der Havel, Grafeneck auf der Schwäbischen Alb in Württemberg, Sonnenstein in Pirna, Bernburg an der Sale, Hadamar in Hessen und Hartheim bei Linz.

Allein in Hartheim fielen bis August 1941, dem Zeitpunkt, als die „Aktion“ auf Befehl Adolf Hitlers gestoppt wurde, über 18.000 Menschen dem Massenmord zum Opfer; im gesamten Reich waren es über 70.000 Menschen. Bis zum Ende des NS-Regimes wurden in Hartheim im Rahmen der so genannten „Aktion 14f13“ dazu noch mehrere tausend kranke KZ-Häftlinge aus Mauthausen und Dachau sowie Zwangsarbeiter ermordet, so dass bis Ende 1944 nahezu 30.000 Menschen in der Euthanasieanstalt Hartheim durch Giftgas ermordet wurden. Die Phase nach dem „Stopp“ wird als „wilde Euthanasie“ bezeichnet.

Die Leichen wurden verbrannt und ihre Überreste anfangs in die nahe gelegene Donau geschüttet. Später ging man dazu über, sie im Schlossgarten zu vergraben. In der Regel lagen zwischen der Ankunft der Opfer und der Verbrennung ihrer Leichen nur wenige Stunden.

Ein Teil der Asche wurde für den Urnenversand verwendet, der gemeinsam mit dem System des Aktenaustausches unter den Euthanasieanstalten als Verschleierungsmanöver zur Irreführung der Angehörigen entwickelt wurde. Die Angehörigen bekamen eine immer gleich formulierte Todesbenachrichtigung (lediglich Datum, Name und Todesursache wurden geändert). Im Laufe der Zeit passierten immer mehr Pannen und Fehler.

Medizinischer Leiter der Euthanasieanstalt Hartheim war der Linzer Psychiater Dr. Rudolf Lonauer. Lonauer war auch ärztlicher Direktor der Gau-, Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart in Linz, die als Durchgangsanstalt für die Transporte nach Hartheim diente. Christian Wirth war administrativer Leiter der Euthanasieanstalt Hartheim und als solcher auch als Vorstand des Sonderstandesamtes tätig, das im Schloss Hartheim eingerichtet worden war und die Todesurkunden ausstellte. Im Zuge der „Aktion Reinhard“, der Ermordung der jüdischen Bevölkerung im Generalgouvernement Polen, nahmen etliche Angestellte der Euthanasie-anstalt Hartheim führende Positionen ein.

Ende 1944 wurden alle Tötungseinrichtungen im Schloss Hartheim entfernt, sämtliche Unterlagen vernichtet und der Bauzustand von 1939 weitestgehend wieder hergestellt. Wegen der sorgfältigen Entfernung der Tötungseinrichtungen Ende 1944 sind heute nur wenige bauliche Spuren erhalten.

1945 machten die Amerikaner im Schloss einen bizarren Fund: eine 39-seitige Aufstellung, ein Schlüsseldokument der NS-Euthanasie, die sogenannte „Hartheimer Statistik“. Diese zynische Bilanz dokumentierte bis ins kleinste Detail die Kosten-Nutzen-Rechnungen der Nazis. Penibel wurden die Einsparungen in RM aufgelistet, die durch die Ermordungen erreicht wurden.

In den Nürnberger Prozessen 1946 wurde erstmals der Zusammenhang zwischen „Euthanasie“ und Holocaust aufgezeigt. Der Heizer, Vinzenz Nohel, wurde hingerichtet, Dr. Lonauer beging noch 1945 Selbstmord und Dr. Renno tauchte unter.

2001 stieß man bei Grabungsarbeiten im Schlossgarten per Zufall auf Bodenfunde, die dann planmäßig ausgegraben und geborgen wurden. Es handelte sich dabei um persönliche Gegenstände der Pfleglinge, Asche, Schlacke und Knochenreste, die noch aus der Zeit der Euthanasieanstalt stammen. Die menschlichen Überreste wurden im heutigen Friedhofs-bereich des Lern- und Gedenkorts Schloss Hartheim beigesetzt.

Weitere Informationen auf:

http://www.schloss-hartheim.at

Mag. Ludmilla Leitner